Inflation in Deutschland kühlt ab

Experten warnen vor voreiligen Schlüssen, Tarifverhandlungen im Fokus

In Deutschland hat sich die Inflationsrate zu Beginn des Jahres 2024 auf ein Niveau abgekühlt, das seit zweieinhalb Jahren nicht mehr beobachtet wurde. Laut einer Schnellschätzung des Statistischen Bundesamtes stiegen die Preise für Waren und Dienstleistungen im Januar auf Jahressicht um 2,9 Prozent. Dies markiert den niedrigsten Stand seit Juni 2021, nachdem die Inflation in der Zwischenzeit Spitzenwerte von bis zu 10,6 Prozent erreicht hatte, was die Europäische Zentralbank (EZB) zu zehn Zinserhöhungen veranlasste. Trotz dieser positiven Entwicklung warnen Ökonomen vor voreiligen Schlussfolgerungen bezüglich der Inflationsentwicklung.

Experten betonen, dass unter der Oberfläche weiterhin Inflationsdruck besteht. So weist Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der niederländischen Bank ING, darauf hin, dass es immer noch genügend Anzeichen für anhaltenden Preisdruck gibt. Im Dezember hatte die Inflationsrate noch bei 3,7 Prozent gelegen, wobei der Anstieg hauptsächlich auf statistische Gründe zurückgeführt wurde. Die aktuellen Daten zeigen jedoch, dass die Energiepreise in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen, während staatlich getriebene Preiserhöhungen, wie die Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und der CO2-Preis, weniger stark ins Gewicht fielen als erwartet.

Trotz des Rückgangs der Inflationsrate auf 2,9 Prozent bleibt der Preisdruck in einigen Bereichen bestehen. So sind die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vormonat Dezember um 0,2 Prozent gestiegen, und die Kerninflation, die Energie und Nahrungsmittel ausschließt, ist nur minimal auf 3,4 Prozent zurückgegangen. Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Inflation zwar nachlässt, aber weiterhin Bereiche existieren, in denen der Preisdruck hoch bleibt.

Die Tarifverhandlungen in verschiedenen Branchen könnten zusätzlichen Einfluss auf die Inflationsentwicklung haben. So hat die Chemiegewerkschaft IG BCE für 585.000 Beschäftigte eine Lohnerhöhung von sechs bis sieben Prozent gefordert, was die EZB aufmerksam beobachtet, da Lohnzuwächse über drei Prozent als nicht vereinbar mit dem Inflationsziel von zwei Prozent gelten. Die Forderungen der Gewerkschaften reflektieren die Sorge, dass die bisherigen Lohnerhöhungen und Inflationsprämien durch die hohe Inflation aufgezehrt wurden, was den Druck auf die Lohnentwicklung erhöht. Dies könnte, falls umgesetzt, zu einer Spirale aus Lohn- und Preissteigerungen führen, die die Inflationsrate wieder anheben könnte.

Die Europäische Zentralbank und Ökonomen verfolgen diese Entwicklungen genau, da sie entscheidend für die zukünftige Geldpolitik sein werden. Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, betont, dass die Bank auf dem richtigen Weg sei, aber noch nicht am Ziel angelangt. Die Inflationserwartungen für das Jahr 2024 sind mit einer prognostizierten Teuerungsrate von 2,2 Prozent durch das Ifo-Institut verhalten optimistisch, obwohl auch pessimistischere Stimmen existieren.

Die konjunkturelle Schwäche in Deutschland und anderen Teilen der Eurozone begrenzt derzeit die Möglichkeiten der Unternehmen, Preise zu erhöhen. Dies könnte ein dämpfender Faktor für die Inflation sein, doch die geplanten Preiserhöhungen in bestimmten Sektoren, insbesondere bei konsumnahen Dienstleistungen, deuten darauf hin, dass der Preisdruck in einigen Bereichen des Marktes bestehen bleibt. Die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie, die in wenigen Monaten anstehen, werden als weiterer wichtiger Indikator für die zukünftige Lohn- und Preisentwicklung gesehen.

Die Inflationsentwicklung in Deutschland steht nicht isoliert da. Aus anderen großen Euro-Volkswirtschaften kommen gemischte Signale. Während in Frankreich die Inflation im Januar auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren fiel, stieg sie in Spanien entgegen den Erwartungen an, hauptsächlich bedingt durch höhere Strompreise. Diese unterschiedlichen Entwicklungen zeigen die Komplexität der Inflationssituation in der Eurozone und die Herausforderungen, mit denen die EZB bei der Steuerung der Geldpolitik konfrontiert ist.

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